Polypharmazie

Unter Polypharmazie, oft auch als Multipharmazie bezeichnet, versteht man die gleichzeitige Verordnung von mehreren Medikamenten bei einer Person.

Die Gründe für eine Polypharmazie sind vielfältig. Grundsätzlich lassen sich folgende Aspekte unterscheiden:

1. Es bestehen gleichzeitig mehrere behandlungsbedürftige Erkrankungen (Multimorbidität). Zur Therapie jeder dieser Erkrankungen sind Medikamente erforderlich.

Beispiel: Diabetes mellitus, Bluthochdruck und Osteoporose.

2. Die unzureichende Wirkung eines an sich adäquaten und indizierten Medikaments wirkt nicht zu einer ausreichenden Wirkung, so dass die Kombination mit einem (oder mehreren) anderen Medikamenten mit ähnlichem Wirkungssprektrum zur Erreichung einer ausreichenden Wirkung notwendig ist.

Beispiele: Behandlung von Bluthochdruck, Asthma, chronischer obstruktiver Lungenerkrankung, Parkinson-Syndrom

Bei diesen Erkrankungen kann es im Verlauf dazu kommen, dass die bisher verabreichten Medikamente keine ausreichende Wirkung mehr zeigen, so dass die Gabe eines weiteren Medikaments zur Erreichung einer ausreichenden Behandlung der fortschreitenden Symptomatik erforderlich wird.   

Mitunter werden die Medikamente auch in einer fixen Kombination (z.B. als eine Tablette) verabreicht. Beispiele: einige Asthmamittel, HIV-Medikamente, Anti-Parkinson-Mittel

3. Die Gabe von einem Medikament ist notwendig, um die Nebenwirkungen eines anderen abzuschwächen. Beispiel: Gabe von Magensäureblocker bei längerer Gabe von Corticoide. 


Wechselwirkungen

Das größte Problem bei einer häufig notwendigen Polypharmazie besteht in Wechselwirkungen zwischen den Medikamenten. Die Art der Wechselwirkungen können vielfältig sein. Häufig kommt es

a. zu erhöhten Wirkspiegeln eines Medikaments, weil ein anderes Medikament den Abbau deutlich verringert,

b. zu synergistischen, d.h. sehr ähnlichen Wirkungen, so dass es in der Folge zu einer Wirkungsverstärkung kommt. Dies kann gewünscht sein (s.1.) , z.B. bei Parkinson-Medikamenten. Wenn aber die unerwünschten Wirkungen (oft auch als Nebenwirkungen bezeichnet) verstärkt werden ist, ist eine solche Kombination zweier Medikamente zu vermeiden

c. es ist auch möglich, dass der Abbau eines Medikaments durch ein anderes beschleunigt wird, d.h. die Wirkspiegel werden erniedrigt und wird die erwünschte Wirkstoffkonzentration nicht erreicht. Die Wirkung bleibt daher aus.

Komplikationen

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass mit der Anzahl der verordneten Medikamente die Anzahl möglicher Wechselwirkungen exponentiell ansteigt. Daher ist bei multimorbiden Patienten jede neue Medikation kritisch zu überdenken und es sollte eine möglichst geringe Anzahl an Medikamenten verordnet werden.

Untersuchungen haben gezeigt, dass je höher die Anzahl der verordneten Medikamente ist, desto höher sind Einnahmefehler. Diese Einnahmefehler treten besonders häufig bei alterstypischen Störungen auf: Sehstörungen und kognitiven Störungen (Demenz). In Zusammenhang mit der Einnahme einer größeren Anzahl von Medikamenten ist auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr hinzuweisen.

Da ältere Menschen gehäuft multimorbide sind, ist bei ihnen oft eine Polypharmazie notwendig. Bei älteren Menschen besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für ein Delir aufgrund einer Polypharmazie und eines Flüssigkeitsdefizits (Exsikkose). Oft sind schon "normale Dosierungen" von Medikamenten ausreichend, um Komplikationen, insbesondere ein Delir hervorzurufen.

Nähere Informationen zu einem Delir im Alter und eine Übersicht der Medikamente, die gehäuft zu einem Delir führen, finden Sie hier.